Interview
Klaus: Die Yacht hat in einer ihrer letzten Ausgaben eine Befragung unter 500 deutschen Blauwasserseglern
durchgeführt, welche Ausrüstungsgegenstände aus einer normalen Serienyacht ein Blauwasserschiff machen.
Herausgekommen ist folgende Zeichnung (Blauwasserspezial Heft 15) Was haltet ihr davon?
Lin: Schon auf den ersten Blick sehe ich hier eine Menge Dinge, die wir so nicht machen würden: Ein grosses
Dinghi mit festem Boden ist eine feine Sache aber es auf dem Vordeck zu lagern... Die erste richtig grosse
Welle, die übergeht spült es weg und dabei kann es dann auch noch das Vorsegel zerfetzen. Den Generator im
Ankerkasten unterzubringen ist die einfachste Art ihn schleunigst zu zerstören.
Larry: Also die Windfahne finde ich schon wichtig, aber ein Solarpanel unter dem Baum liegt mindestens 50% der
Zeit im Schatten und lädt nicht.
Lin: Die Windfahne lasse ich auch gelten, aber der "Überrollbügel" ist in einem richtigen Sturm wahrscheinlich
ziemlich bald futsch und kann dabei auch noch das Rigg mitnehmen. Und die ganze Elektronik, wer das alles haben
will braucht eine Maschine und grosse Batterien , unser Ding war das noch nie.
Larry: Das ist wohl eher so eine Art Wunschliste, hätte man die Leute gefragt, was sie für absolut unverzichtbar
halten, hätte das Ergebnis sicher anders ausgesehen.
Klaus: Ihr segelt seit über 30 Jahren ohne Maschine, habt ihr das noch nie bereut?
Larry: Zugegeben, manchmal wäre es vielleicht einfacher gewesen, aber wir finden Aufwand an Zeit und Geld stehen
in keinem Verhältnis zum Nutzen.
Lin: Wir haben alle Zeit der Welt. Wenn wir in einen Hafen nicht reinkommen, ankern wir davor oder fahren
woanders hin, in der Flaute lassen wir uns treiben.
Larry: und wenn ich Taleisin wrigge, komme ich auch noch auf 1,5 kn.
Klaus : Reicht das um einem Tanker auszuweichen, der euch nicht sieht ?
Lin :Wenn er rechtzeitig damit anfängt...Für solche Situationen habe ich ihm eine kleine UKW Handfunke geschenkt,
jetzt muss er nicht mehr so oft wriggen. Schliesslich ist er auch nicht mehr der Jüngste.
Klaus :Habt ihr eigentlich ein Gps?
Larry: Ich habe von der Royal Society for Navigation eine n Preis bekommen, weil ich alle meine Reisen nur mit
dem Sextanten gemacht habe, da kann ich das ja wohl schlecht tun.
Klaus: Euer Schiff ist über 20 Jahre alt und trotzdem sieht es aus als wäre es brand neu. Wie macht ihr das?
Lin: Wir gönnen dem Schiff jeden Tag eine halbe Stunde und wir versuchen, die Dinge so einfach wie möglich zu halten.
Der Verzicht auf Motor und Elektronik bedeutet auch, dass wir diese nicht warten und reparieren müssen. Was uns
mehr Zeit gibt, das zu tun, was wir für wirklich wichtig halten, Land und Leute kennenzulernen.
Larry: mit Leuten wie Euch zu quatschen, ein Bier zu trinken und eine gute Zeit zu haben.
Lin: Und natürlich zu segeln. Segeln ist unser Sport und nach über 30 Jahren sind wir noch genau so verrückt
danach wie am Anfang.
Klaus: Apropos was sind eurer Meinung nach die wichtigsten Veränderungen, die ihr in den letzten 30 Jahren in
der Blauwasserszene bemerkt habt?
Larry : Oh das ist ein weites Feld. Natürlich gibt es heute viel mehr Boote, Marinas, Reparatur- und Kommunikationsmöglichkeiten,
auch fürs Ankern nehmen sie jetzt schon häufig Geld, aber es gibt sie immer noch , die jungen Leute, die mit
kleinen Schiffen und wenig Geld losfahren, ohne festen Plan, frisch, spontan, begeisterungsfähig, wobei es viel
einfacher geworden ist, unterwegs Geld zu verdienen, wenn man ein bisschen handwerkliches Geschick hat.
Lin: Auf der anderen Seite sind die, die sich nach einem harten erfolgreichen Arbeitsleben vielleicht 10 Jahre vor
der Rente ihren Traum erfüllen wollen. Sie zahlen viel Geld für Technik, die eine nimmermüde Industrie ihnen
als unverzichtbar aufdrängt, die letztlich aber nur eine Scheinsicherheit darstellt .All diese Geräte bedeuten
nur , dass man mehr Zeit am Kartentisch als im Cockpit verbringt. Aber nur im Cockpit kann man ein Gefühl für
das Schiff entwickeln, den Wind erfühlen, Wetteränderungen sehen riechen spüren, ungewöhnlichen Geräuschen
nachgehen. Nicht zuletzt kannst Du mit deinem Hintern im Cockpit spüren, ob das Schiff sich wohlfühlt.
Larry: Aber der schlimmste Auswuchs sind diese Rallies. Man stelle sich das einmal vor : da fahren 200 Yachten
am selben Tag ,zur selben Stunde von Gran Canaria aus los, dank Gps Wegepunktnavigation auf engstem Raum für
2000 Meilen. Was für ein Kollisionsrisiko und dann lass mal einen Sturm kommen. Nur 50 in Seenot geratene
Yachten überfordern jeden Rettungsdienst. Und dass man sich gegenseitig zu Hilfe kommen könnte, ist eine
Illusion, wenn's ums Überleben geht hat sich jeder selbst der nächste zu sein. Scheinsicherheit!
Lin: Wenn ich darüber nachdenke, dann scheint mir der grösste Unterschied zwischen heute und früher zu sein,
dass wir damals wirklich unsere Freiheit gesucht haben, spontan, sorglos und ohne Termine, während viele heute
ihr Seglerleben organisieren wie ihren Beruf, da wird nicht nach Wetter gefahren, sondern nach Datum.
Larry: Lass mich noch etwas zu den modernen Booten sagen. Schiffe wie unseres wurden nach den Kriterien
Seetüchtigkeit, Solidität, Verhalten im Seegang und Segeleigenschaften gezeichnet unter Einbeziehung der
Erfahrungen der Berufsschiffahrt unter Segeln. Heute scheint es darum zu gehen, möglichst 12 Kojen auf 10m
Schiff unterzubringen. Der Konkurrenzdruck der Werften ist hoch, also spart man an lohnintensiven
Fertigungsweisen und teuren Materialien. Mit manchen dieser modernen Serienschiffe würde ich nicht mal über
den Bodensee fahren. Dazu kommt, dass die Leute sich immer größere Schiffe kaufen, mit denen sie im Grunde
physisch überfordert sind, aber es geht ja alles so schön per Knopfdruck.
Lin : und wenn dann die Hydraulik versagt, wird daraus ganz schnell ein Seenotfall.
Klaus : In der eingangs erwähnten Yachtumfrage wurden als Hauptärgernis beim Fahrtensegeln Kriminalität und
Behördenwillkür genannt. Ist das schlimmer geworden?
Lin : Das mit der Behördenwillkür mag für einige karibische Staaten zutreffen. Ansonsten ist es eher einfacher
geworden. Wenn man sich immer vor Augen hält, dass diese Beamten in ihren Ländern Respektspersonen sind und
sich entsprechend benimmt, angemessenene Kleidung spielt da eine grosse Rolle, wird man kaum Ärger bekommen.
Larry: Kriminalität ist unserer Meinung nach ein Thema, das zu sehr hochgespielt wird. Bestimmte Gegenden muss man
einfach meiden, welche das spricht sich in der Szene schnell rum. Die Randbezirke von Grossstädten gehören
immer dazu. Ansonsten scheinen die Leute längere Passagen zu meiden und statt dessen entlang der Küste von
Hafen zu Hafen zu segeln. Dass man da eher zum Opfer wird, ist doch klar. An der Diskussion über Waffen an
Bord mögen wir uns nicht beteiligen, das muss jeder selber wissen.
Klaus: Darf ich Euch noch ein paar persönliche Fragen stellen?
Larry: Oh ja, in Fragen über Sex sind wir immer besonders gut.
Lin: Das machen wir wenn Flaute ist, und die anderen sich über Ihre Maschine ärgern.
Klaus: So genau wollte ich das gar nicht wissen. Habt ihr schon mal daran gedacht, mit dem Segeln aufzuhören.
Larry: Wir haben mal 2 Jahre in Neuseeland an Land gelebt, aber auf die Dauer war das doch
nichts. Allerdings haben wir ein Haus da unten.
Lin: Und ein Wohnmobil in Kalifornien.
Klaus: Was sind eure weiteren Pläne?
Lin: Also das verraten wir eigentlich nie, weil wir sie zu oft umstossen.
Larry: Na ja , vielleicht Argentinien, da waren wir noch nicht. Hier im Hafen liegt eine italienische Yacht,
die kommen gerade von da, eventuell verkaufen sie uns ein paar Karten.
Klaus: Wir haben ja gerade erst mit dem Leben auf dem Wasser angefangen, könnt ihr uns noch etwas mit auf den
Weg geben?
Lin: Ja , lasst euch nicht in neue Zwänge ziehen, lebt frei, spontan, einfach. Haltet euer Schiff in Ordnung,
das ist eure Lebensversicherung. Denkt immer daran, euer zu Hause ist die Welt.
Larry: Und Mann, ich hoffe Du hast immer zwei Dosen Bier im Kühlschrank
Klaus: Zwei?
Larry: Ja, eine für Dich und eine für mich.
Homepage von Lin +Larry Pardey